Hier ein paar "philosophische" Anmerkungen zum Thema Radio. Wer sich hauptsächlich für Technik interessiert, kann diesen Teil überspringen...

Warum Radio hören, warum sich für Radio interessieren?

Radio ist von allen Medienformaten (Radio, Fernsehen, Zeitungen, Internet) die effektivste Form der Informationsübertragung. Mit einer Sendestelle kann live eine ganze Region oder ein ganzer Kontinent erreicht werden. Fernsehen ist im Vergleich dazu um ein Mehrfaches aufwendiger zu produzieren und zu übertragen. Zeitungen sind veraltet, bis sie beim Leser ankommen, und das Internet ist eine sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz für Radioübertragungen, näheres unten.

Mit Radioübertragung meine ich Rundfunkübertragung im wörtlichen Sinne: Ein Sender strahlt sein Programm rundherum per Funk aus. Theoretisch unendlich viele Empfänger können das Programm hören, sofern das Signal stark genug ankommt.

Radio macht Spaß!

Ob schöne Musik, aktuelle Nachrichten, Hintergrundberichte, Dokumentationen aus Natur, Wissenschaft, Technik, Hörspiele, Reiseberichte, Interviews.... das Radio bietet so vieles, das uns den Alltag bereichert, egal ob zuhause oder auf Reisen. Vor allem auf Kurzwelle steht dem Hörer die ganze Welt offen. Doch auch eher lokal auf Mittelwelle und UKW gibt es viele hörenswerte Sender, deren Vorhandensein und deren Programm man sich eben einfach mal bewusst machen muß.  Leider reduzieren die meisten das große Angebot, das zur Verfügung steht, auf 1 oder 2 Stationen mit minderwertiger Dauerhintergrundbeschallung, die den Namen Rundfunksender gar nicht verdienen. Diese nennt man "Formatradio", worauf ich weiter unten noch eingehe. Wer sich die Mühe macht herauszufinden, was man mit dem Radio alles empfangen kann, dem steht ein Aha-Elebnis bevor. Beim internationalen Rundfunkempfang auf Mittel- und Kurzwelle lernt man nebenbei viel über Geografie und die physikalischen Zusammenhänge zwischen Frequenz, Sonnenzyklus, Jahres-, Tag- und Nachtzeit usw. Eine spannende Sache!

Ist das Internet nicht der moderne Ersatz für Rundfunk?

Ein ganz klares Nein. Internet ist eine Ergänzung, aber kein Ersatz. Das Internet ist eine relativ komplizierte bidirektionale übertragung, d.h. man kann Daten nicht einfach empfangen, sondern muss auch zurücksenden, um die Datenpakete anzufordern und den Empfang zu bestätigen. Der "Sender" muss seine IT-Technik immer weiter aufrüsten, wenn mehr Leute ihn empfangen wollen. Etliche Streams sind bei großer Hörerzahl schon zusammengebrochen. Bei klassischem Rundfunk spielt es keine Rolle, ob Fünf Tausend oder Fünf Millionen Menschen zuhören, es funktioniert einfach.

Beim Internetradio sind zwischen Sender und Empfänger viele kosten- und energiefressende Rechenzentren und Verteiler notwendig. Weltweit laufen in den Wohnungen und Firmen Millionen oder Milliarden von Modems, Routern, WLAN-Accesspoints etc. meist rund um die Uhr. Diese enorme Menge von Geräten muß resourcenfressend hergestellt werden (meist sind sie nach kurzer Zeit veraltet und werden entsorgt), ist Hackerangriffen ausgesetzt und benötigt eine Unmenge an Energie, auch im Leerlauf.

Portabel unterwegs ist man immer auf eine WLAN- oder UMTS-/LTE-Verbindung angewiesen. Das gibt es  nicht überall. In einem fahrenden Auto z.B. sind ständige Verbindungsabbrüche selbst zum "Ortssender" vorprogrammiert. In der B5-Sendung "Computermagazin" vom 31.07.2011 wurde gesagt: "Probieren Sie mal, mit dem Smartphone in der S-Bahn oder im Auto kontinuierlich einen IP-Stream zu verfolgen, ohne daß Ausfälle passieren, das funktioniert einfach nicht. Mobilfunk ist nicht dafür vorgesehen, Rundfunk zu übertragen."

Ein ganz wichtiger Punkt: Das Internet ist relativ einfach zu überwachen. Schon die Nazis verboten das Hören von "Feindsendern", doch sie konnten die wenigsten Hörer erwischen, dem Radio sei Dank. Heute können totalitäre Staaten im Handumdrehen herausfinden, welche Bürger verbotene Sender über das Internet hören und sie dann verhaften.  Zudem wird massiv in Internetfilter investiert (nicht nur in China...), um Inhalte auszufiltern, die den Machthabern nicht gefallen.  Sagen Sie nicht "das kann doch in Deutschland nicht passieren", wir hatten ähnliches schon mal! 

Die Abschaltung der Kurzwellensendungen der Deutschen Welle bezeichnete der Deutsche Kulturrat als fahrlässig.
Zitat: "Die Kurzwelle kann auf Grund ihrer großen Reichweite weltweit empfangen werden. Kein anderer Frequenzbereich weist eine solch große Reichweite auf und kein anderes Medium kann so autonom von Deutschland aus in die Welt strahlen. Auch das Internet ist keine sichere Alternative zur Kurzwelle, da es durch Eingriffe in den Empfängerländern zensiert, behindert und sogar vollkommen abgeschaltet werden kann. Gerade in einer Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche, nicht nur im arabischen Raum, ist es fahrlässig auf ein solches autonomes übertragungsmedium wie die Kurzwelle für die Ausstrahlung des deutschsprachigen Programms zu verzichten."  Link

(Wenn wir schon dabei sind: Fürs Fernsehen gilt gleiches. Es gibt mittlerweile Angebote für Fernsehen über das Internet. Abgesehen von technischen Schwierigkeiten, warum sollten der Staat oder andere Leute mitprotokollieren, welche Sendungen Sie anschauen? Warum sollten irgendwelche Firmen Ihre Fernsehgewohnheiten ausspionieren, um Sie gezielt mit Werbung zu bombardieren? Also: Wenn Fernsehen, dann nur per Rundfunk - terrestrisch oder über Satellit.)

Wer schon Webradio gehört hat der weiß, es geht, aber selbst bei großen Stationen kommen Aussetzer vor, der Verbindungsaufbau dauert oft recht lang. Signalverzögerungen von bis zu 30 Sekunden habe ich schon beobachtet. Der Senderwechsel dauert eine gefühlte Ewigkeit.

Bei Naturkatastrophen u.ä. (ein simpler Stromausfall genügt) fallen meistens die Handynetze und das Internet aus, auch wenn Computerfreaks das nicht glauben wollen. Radiosender mit Notstromaggregaten und einfache Batterieradios funktionieren dagegen immer. In den ersten Stunden und Tagen sind es meist nur die Funkgeräte der Funkamateure und Hilfsorganisationen, die eine grundlegende Kommunikation ermöglichen.

Für diejenigen, die Bedenken vor elektromagnetischen Feldern ("Elektrosmog") haben: Herkömmliche Rundfunksender befinden sich meist weit außerhalb von Ortschaften, die beim Hörer ankommenden Feldstärken sind gering, aber für empfindliche Radioempfänger ausreichend. Anders bei mobilem Internet: Die Endgeräte sind vergleichsweise taub, sie benötigen höhere Feldstärken. Deshalb müssen die Sendestationen ("Handymasten") nahe an die Empfänger rücken. Da jede Station nur eine bestimmte Anzahl von Endgeräten bedienen kann, müssen es viele sein. Zudem ist jedes Endgerät auch ein Sender, egal ob WLAN, UMTS oder was auch immer. Somit steigt die Feldstärke in den "versorgten" Gebieten enorm an. Hinweise auf gesundheitliche Auswirkungen werden von der  Mobilfunklobby stets abgewiesen. Kein Wunder, mit Mobilfunk wird jede Menge Geld verdient.....

Nachteile von Radio per Internet:

  • komplizierte und teure Technik
  • nicht nur ein Sender, sondern komplexe Infrastruktur notwendig
  • große Gebiete auf der Erde sind gar nicht oder nur schlecht versorgt
  • Empfangsgeräte relativ teuer und stromfressend
  • überwachung und Zensur sind einfach möglich
  • anfällig für Hackerangriffe
  • wenn zentrale Rechner ausfallen, ist in weiten Gebieten gar keine Station mehr zu empfangen
  • gesundheitliche Auswirkungen durch Mobilfunk wahrscheinlich
Diesen Punkt habe ich bewußt ausführlicher behandelt, da immer mehr Buchhalter bei Radiosendern, Politiker, Computernerds und andere Schlaumeier meinen, Lang-, Mittel- und Kurzwelle bräuchte man nicht mehr, das ginge ja alles über Internet. Pustekuchen!

Was dudelt denn da dauernd?

Kommen wir zur negativen Seite der aktuellen Radioszene auf UKW.  Frühere "Piratensender" hatten dem Einerlei auf den UKW-Frequenzen ein manchmal witziges, interessantes, auf jeden Fall anderes Programm entgegengesetzt. Zumindest abwechslungsreich. Seitdem aber kommerzielle Stationen offizielle Sendegenehmigungen und Frequenzen bekamen, zeichnete sich leider ein Abrutschen in die Belanglosigkeit ab. Finanzstarke Konzerne und Kapitalgesellschaften wollten mit ihrem Sender nur eines erreichen: Möglichst viele Hörer an sich binden und mit den Werbeeinnahmen viel Geld verdienen. Prinzipiell legitim, doch die eingesetzten Mittel lassen jedem bewussten Radiohörer die Haare zu Berge stehen und entsetzt ab- oder weiterschalten. Schlimm vor allem, daß dieser Trend sich auch bei einigen öffentlich-Rechtlichen Programmen im Kampf um die Hörer einschlich.

Seitdem ist es egal, ob Sie Antenne XY, SWR3, Bayern3 und wie sie alle heissen, hören, es ist immer dasselbe: Pausenloses  Dauerfeuer auf die Ohren, nicht eine Millisekunde Pause, dümmlich-witzelnde Moderatoren mit den besten Hits, dem schnellsten Service, der lustigsten Comedy usw. Oft mehrere Moderatoren, Jingles und Musikfetzen durcheinander und übereinander, mit dem Dynamikompressor bis an die Schmerzgrenze verzerrt; ständige Ansagen von irgendwelchen tollen Infos oder Hits, die aber gar nicht oder Stunden später gespielt werden; nur zur Hälfte gespielte Musikstücke, in die dann auch noch reingelabert wird, Verkehrsinfos mit Dauergetrommel im Hintergrund (also ziemlich unverständlich)....... kurzum: Akustischer Sondermüll. Ich glaube Sie wissen, was ich meine, man nennt es Formatradio.

"Sie sind nicht sicher, woran man Formatradio erkennt? Sobald Ihre Ohren anfangen zu kotzen, hören Sie Formatradio." Dieses Zitat stammt von Götz Alsmann, der ganze Artikel kann im Tagesspiegel nachgelesen werden. Es lohnt sich ihn zu lesen, besser kann ich es auch nicht ausdrücken. Link

Ich schneide dieses Thema nur an um zu zeigen, was ich nicht unter Radio verstehe. Wer sich vor Verblödung bewahren will, findet besseres, muß aber ein wenig suchen. Jede Menge interessante Sendungen finden sich auf der UKW-Skala neben den großen Powerstationen, und natürlich auf Lang-, Mittel- und Kurzwelle. Zum Empfangserfolg der letzteren soll diese Internetseite beitragen.

Empfehlung

Mein Tip: Lassen Sie doch mal das Radio während der Arbeit aus, und machen sich stattdessen einen schönen Radioabend mit ausgewählten Sendungen und bewußtem Zuhören. Wer weiß, vielleicht entdecken Sie ein neues Hobby. Möglicherweise erfreuen Sie sich bald daran, Sendestationen aus der ganzen Welt auf Kurzwelle zu hören. Oder Sie möchten eines Tages selbst internationale Funkverbindungen knüpfen und lernen auf die Lizenzprüfung zum Funkamateur.